„Im Ehrenamt zählen gemeinsame Ziele und Motivation“
„Führung 4.0 – effektive Führung im Wandel“ lautet das Jahresmotto von Marlen Wehner, die kürzlich zur Landesvorsitzenden 2019 der Wirtschaftsjunioren Bayern gewählt wurde. Ein guter Anlass um mit ihr und dem Landesvorsitzenden 2018 und künftigen stellvertretenden Bundesvorsitzenden Sebastian Döberl über das Thema Führung im Beruf und Ehrenamt zu sprechen: Wie unterscheidet sich die Führung im Ehrenamt, was schätzen sie am Führungsverhalten des jeweils anderen und unter welchem Motto steht ihr Jahr?
Du bist gerade zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Wirtschaftsjunioren Deutschland gewählt worden. Vorher hast du die Wirtschaftsjunioren Bayern geführt. Was waren für dich die prägenden Momente dieses Jahres?
Sebastian Döberl: Ganz klar die politische Arbeit. Wir haben jetzt viele Podiumsdiskussionen für die Landtagswahlen. Außerdem haben wir mit den Wirtschaftsjunioren Bayern politische Positionen erarbeitet und basisdemokratisch abstimmen lassen. Diese haben wir an die Mitglieder des Landtags verschickt. Spannend war, dass wir Resonanz erhalten haben und Landtagsabgeordnete das Gespräch mit uns gesucht haben. Besonders bei den Themen Arbeiten 4.0, Arbeitszeitgesetze und Kinderbetreuung sind wir Wirtschaftsjunioren als Gesprächspartner gefragt. Ein weiteres wichtiges Thema war für mich in diesem Jahr die Umsetzung des strategischen Handlungsrahmens der Wirtschaftsjunioren Deutschland.
Im Unternehmen habt ihr auch Führungsverantwortung. Was unterscheidet Führung im Ehrenamt von Führung im Unternehmen?
Sebastian Döberl: Es gibt sehr viele Unterschiede. Im Unternehmen kann man als Chef Regeln aufstellen, an die sich dann alle halten. Es ist auch hier natürlich besser über Motivation zu führen. Im Ehrenamt funktioniert Führung nur über Ziele und Motivation. Alle sind freiwillig dort und setzen ihre Freizeit für das Ehrenamt ein. Ein weiteres Thema ist die Zeit. Im Beruf kann ich die Zeit planen und weiß, dass ich von einem Mitarbeiter acht Stunden zur Verfügung habe. Im Ehrenamt beeinflussen viele Faktoren die Zeiteinteilung zum Beispiel Arbeit und Familie.
Marlen Wehner: Im Ehrenamt sind Spaß und die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns wichtige Motivatoren, zusätzlich zu geschäftlichen Interessen und Netzwerken. Doch auch hier braucht es klare Ziele und Zuständigkeiten, wenn man gemeinsam etwas erreichen möchte. Die Prinzipien der Führungsverantwortung in Unternehmen, unterliegen einem starken Change-Prozess. Die Zukunft der Arbeit wird deutlich agiler sein, das heißt viel mehr Projektarbeit und wechselnde Verantwortungsträger. Das bedarf neuer Führungsskills auf vielen Ebenen: weg von hierarchie- hin zu kompetenzgetriebenen Organisationsformen. Diese Kultur kommt der Führung im Ehrenamt schon sehr nahe. Die Learnings aus beiden Bereichen können einander also positiv beeinflussen.
Was hat Sebastian Dir mit auf den Weg gegeben. In welcher Hinsicht ist er als Landesvorsitzender ein Vorbild für dich?
Marlen Wehner: Struktur. Das ist Sebastians Schlagwort und er lebt es in jeder Hinsicht auch vor und war und ist mir darin immer ein Vorbild. Sebastian ist ein durch und durch integrer Mensch und eine Führungskraft mit klaren Werte- und Zielvorstellungen, die er transparent und schnörkellos kommuniziert. Wir ergänzen uns sehr gut, was die Zusammenarbeit nicht immer einfach gemacht, aber in jedem Fall zu den besten Ergebnissen geführt hat. Ich freue mich daher sehr darauf, mit ihm auch weiterhin im Bundesvorstand zusammenarbeiten zu können, zu dem ich als Landesvorsitzende ebenfalls gehöre.
Marlen war im letzten Jahr in deinem Team und du hast sie bei der Wahl zur Vorsitzenden unterstützt. Was glaubst du, welche Impulse sie dem Verband geben wird?
Sebastian Döberl: Marlen wird dafür sorgen, dass der Verband zusammenrückt. Sie ist ein emotionaler Mensch und ihr ist es wichtig, dass Menschen Entwicklungsmöglichkeiten bekommen. Vor allem aber beherrscht sie Teamführung und Kommunikation. Das ist heutzutage entscheidend. Mir war es wichtig, dass wir das Amt Stück für Stück übergeben und Kontinuität schaffen. Deshalb hat sie sich in den letzten Monaten in viele Themen bereits eingearbeitet und immer mehr Verantwortung übernommen.
Bei den Wirtschaftsjunioren wählt sich jeder Landesvorsitzende ein Jahresmotto. Dein Jahresmotto, Marlen, lautet „Führung 4.0“. Was bedeutet das für dich?
Marlen Wehner: Führung 4.0 meint die Führung vor dem Hintergrund sich stark verändernder Arbeitsstrukturen und -prozesse, die durch die digitale Transformation getrieben sind. Im Klartext: Die Welt ist nicht mehr dieselbe wie vor zehn Jahren. Unsere Führungsstile sind jedoch häufig basierend auf Erkenntnissen, die mindestens doppelt so alt sind. Hier gibt es eine Menge zu tun und wir als junge Wirtschaft sind diejenigen, die dafür an vorderster Front stehen. Es ist Zeit Führung nicht länger als angeborenes Talent zu betrachten, sondern als eine erlernbare und persönlichkeitsbasierte Profession.
Was ist für dich das Besondere an den Wirtschaftsjunioren Bayern?
Sebastian Döberl: Die konkrete starke politische Arbeit und die Vielfalt. Wir pflegen belastbare Netzwerke und es ist möglich sehr viele unterschiedliche Dinge im gleichen Verband zu tun. Ich kann heute mit Wirtschaftswissen im Wettbewerb Schüler an das Thema Wirtschaft heranführen, mich Morgen auf einer Netzwerkveranstaltung beruflich austauschen und dann gemeinsam mit anderen Junioren am World Cleanup Day Müll sammeln. Diese Mischung aus Weiterbildung und Training, belastbaren Netzwerken und sozialem wie politischem Engagement ist für mich einzigartig.
Marlen Wehner: Zunächst einmal die schiere Größe! Wären wir ein Nationalverband in unserer Dachorganisation JCI (Junior Chamber International), so wären wir mit unseren 4.500 Mitgliedern einer der größten in Europa. Diese Mitgliederzahl lässt schon vermuten, dass wir viele verschiedene Ausprägungen haben, die ich immer wieder mit großem Interesse und Neugier entdecke. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Vielfalt verbindet uns eines umso mehr: Ein starkes Gemeinschaftsgefühl.
Was rätst du jungen Führungskräften?
Sebastian Döberl: Ich rate ihnen, sich bei den Wirtschaftsjunioren zu engagieren. Sie haben am Anfang noch nicht so viel Erfahrung und bei den Wirtschaftsjunioren finden sie genügend Menschen mit Erfahrung, mit denen sie sich austauschen können.
Marlen Wehner: Ich würde euch raten eine gesunde Mischung aus Mut, visionärem Denken und Durchhaltevermögen zu entwickeln. Auch die beste Idee lässt sich meist nicht über Nacht zum Erfolg führen und ich habe manchmal das Gefühl, dass wir zu schnell zu viel erwarten – mich selbst eingeschlossen. Klare Visionen und Strategien, wie diese in konkrete Handlungsschritte überführt werden können, sind hier der Schlüssel zum Erfolg. Und dieser Schlüssel passt nur in euer ganz eigenes Schloss. Hier gibt es leider keine Patentlösung.